Plötzlich wieder Familie

Sicherlich habt ihr euch darüber gewundert (oder auch nicht), warum ich den gesamten April über keine einzige Zeile hier veröffentlicht habe. Dies war dem Umstand geschuldet, dass meine komplette Familie mich über die Osterferien besucht hat. In unserer gemeinsamen Zeit haben wir dem Westen Kanadas einen Besuch abgestattet und dabei vier der bekanntesten Städte besichtigt. Zur Abrundung unseres Trips wurden natürlich auch Nationalparks und die Niagarafälle besichtigt, in diesem Beitrag fokussiere ich mich aber auf die deutlich urbaneren Regionen.

Ottawa

Ottawa ist die Hauptstadt Kanadas. Seit dem 19.Jahrhundert bemüht sich Ottawa, die stets auseinanderdriftenden Provinzen zusammenzuhalten. Insbesondere der Dauerkonflikt mit dem angrenzenden Québec ist für Stadt und Land eine echte Herausforderung. Der Ottawa-Fluss bildet die Provinzgrenze zwischen dem englischsprachigen Ontario und dem französischsprachigen Québec. Ottawa ist als Regierungssitz Kanadas recht wohlhabend. Das merkt man an vielen Stellen. Obdachlose haben wir keine gesehen, für Fußgänger und Fahrradfahrer ist an der gesamten Uferpromenade eine fantastische Strecke ausgebaut und auch kulturell wird einem in Ottawa so einiges geboten.

Auf dem Parliament Hill (Parlamentshügel) am Südufer des Ottawa River befinden sich die Gebäude des kanadischen Parlaments. Das dominierende Gebäude des Ensembles ist der Centre Block mit dem 92m hohen Peace Tower. Der West Block und der East Block enthalten hauptsächlich Büros. Jährlich besuchen rund drei Millionen Besucher den Parliament Hill. Für einen längeren Zeitraum werden die Räumlichkeiten aller Parlamentsgebäude allerdings nicht öffentlich zugänglich sein, da sie eine langwierige Sanierung erfahren. So werden in den kommenden zehn Jahren nur Führungen durch die Ausweichgebäude des Parlaments und des Senats, für den wir uns entschieden, angeboten.

Kanada ist eine konstitutionelle Monarchie. Das heißt, die Königin von England ist das repräsentative Staatsoberhaupt. Sie wird allerdings vor Ort vom Generalgouverneur vertreten. Daneben gibt es das gewählte Parlament (House of Commons) und den Senat (Länderkammer). Anlässlich des 100. Geburtstags im Jahr 1967 wurde vom seinerzeitigen Ministerpräsidenten Lester B. Pearson erstmals die Centennial Flame (Jahrhundertflamme) entzündet. Seitdem brennt sie Tag und Nacht als Erinnerung an die Vereinigung aller kanadischen Provinzen.

Des Weiteren statteten wir dem Naturkundemuseum und dem Byward Market einen Besuch ab. Dieser stellt das geschäftigste Viertel mit einem riesigen Bauernmarkt in Ottawas Zentrum dar.

Québec

Im Osten Kanadas liegt eine Großstadt mit rund 500.000 Einwohnern, die sich mit keiner anderen Stadt in Kanada vergleichen lässt: Québec, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. Hier wird in erster Linie Französisch gesprochen, was diese Provinz schon zu etwas Besonderem im ansonsten ausschließlich englischsprachigen Kanada macht. Obwohl: So ganz Französisch ist es auch nicht, sondern vielmehr „Québécois“, eine regionale Umgangssprache, die auch für französisch Sprechende nicht immer einfach zu verstehen ist. Die Stadt Québec wurde Anfang des 17. Jahrhunderts am Nordufer des Sankt-Lorenz-Stromes gegründet, der die Großen Seen mit dem Atlantik verbindet.

Im Vergleich zu Toronto oder Kanada im Allgemeinen ist Québec eine sehr übersichtliche Stadt – und vermutlich die europäischste aller Städte in Nordamerika. Sie hat noch eine intakte Stadtmauer, die die Altstadt umschließt. Besonders markant dort oben ist das Château Frontenac, heute ein Hotel und von fast jedem Punkt in der Stadt sichtbar. Am südlichen Ende der Oberstadt liegt die Zitadelle von Québec – ein guter Punkt, um sich einen Überblick über die Stadt und den Sankt-Lorenz-Strom zu verschaffen.

Zentraler Platz der Unterstadt ist der Place Royale mit seiner Kirche Notre Dame des Victoires. Mit einer kleinen Zahnradbahn, der Funiculaire du Vieux-Québec, überwinden die Québecois den Höhenunterschied zwischen Unter- und Oberstadt. Aber es gibt auch zahlreiche Treppen und Straßen für die Sportlichen.

Nicht verpassen darf man einen Besuch der Zitadelle, einer riesigen Militäranlage, die über der Stadt thront. Zunächst kann man sich in einem Museum ausführlich über diese Festung informieren. Bei der etwa 90-minütigen Führung bekommt man dann einen guten Einblick in die Geschichte und einzelne Gebäude (es ist immer noch ein militärischer Verwaltungsstützpunkt, alleine rumlaufen geht also nicht).

Montréal

Montréal ist mit knapp 1,7 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Kanadas und die größte Stadt der Provinz Québec. Sie gilt als zweitgrößte französischsprachige Stadt der Welt. Im Großraum leben etwa 4 Millionen Menschen. Die Lage im und am mächtigen Sankt-Lorenz-Strom gibt ihr ein gewisses maritimes Flair. Nach Westen ist die Stadt vom Aussichtsberg Mont Royal (Königsberg) begrenzt. Neben den Franco-kanadiern gibt es einen Mix aus englischsprachigen Einwohnern und Vertreter anderer Nationalitäten. 1967 fanden hier die Weltausstellung und 1976 die Olympischen Sommerspiele statt.

Vom alten Hafen mit seiner Uferpromenade hat man einen herrlichen Blick auf die Skyline von Montréal im Stadtzentrum (Centre Ville) und die Altstadt von „Vieux Montréal“. Unbestritten ist der Marché Bonsecours mit seiner gigantischen Kuppel das Wahrzeichen der Altstadt von Montréal. 1847 errichtet, hatte er eine vielfältige Nutzung erlebt. Neben seiner Eigenschaft als Markthalle, fanden hier Parlamentsversammlungen der Provinz von Kanada statt. Auch als Rathaus diente der Bau über 25 Jahre. Der Name Bonsécours (gute Hilfe) stammt von der benachbarten Kapelle Notre-Dame-de-Bon-Sécours. Heute beherbergt der Gebäudekomplex auf 3 Etagen Geschäfte, Restaurants und Galerien.

Ein Highlight war definitiv der Blick vom 233 m hohen Mont Royal, dem Namensgeber der Stadt. Denn er bietet nicht nur eine große Grünflächenanlage, sondern auch zwei Terrassen, welche durch ihre Höhe und zeitgleich innerstädtische Lage, einen beeindruckenden Blick auf Montréal bieten.

Die Olympischen Sommerspiele 1976 fanden vom 17. Juli bis zum 1. August 1976 in Montréal statt. Einzigartig in der Geschichte der Olympiaden ist wohl, dass Kanada als Gastgeberland keine einzige Goldmedaille erzielt hatte. Die Baukosten wie auch der Zeitplan für den Bau des futuristischen Stadions liefen gehörig aus dem Ruder. Aus dem offiziell angedachten Stadionnamen „The Big O“ machten die Kanadier kurzer Hand „The Big Owe“ (Die großen Schulden). Das Gesamtbild des Stadions wird durch den 175 Meter hohen schrägen Turm geprägt. Der Turm war allerdings wegen technischer Probleme zur Eröffnung 1976 nicht fertig. Ein unvollendeter Turmstumpf überragte knapp das Stadion. Fertig gestellt wurde er erst 1987, also elf Jahre später! Der Turm dient dem Olympiastadion als Pylon, um die Befestigungsseile des Stadiondaches zu halten. 

Toronto

Ich bin nicht umhingekommen, meiner Familie zum Abschluss unserer Tour Kanadas „heimliche“ Hauptstadt zu zeigen – Toronto. Natürlich habe ich über diese bereits im September einen Beitrag verfasst. Dennoch habe ich den beiden Tagen mit meinen Leuten, viele Sehenswürdigkeiten endlich auch von innen gesehen, sodass ich auch hier etwas zu berichten habe.

Das Royal Ontario Museum (ROM) sieht schon von außen spektakulär aus. An das ursprüngliche, alte Gebäude wurde eine futuristische Konstruktion gebaut, die es geradezu abgehoben wirken lässt. Das ROM ist das größte Museum Kanadas und eines der größten Museen Nordamerikas. Gezeigt werden Exponate zu den Themen Kultur, Kunst und Naturgeschichte. Das ROM ist für seine bedeutende völkerkundliche Sammlung bekannt und wie schon angesprochen die paläontologischen Artefakte. Man erfährt wirklich viel über die Geschichte der Ureinwohner Nordamerikas und natürlich zu Kanada. Das Museum hat insgesamt sechs Millionen Ausstellungsstücke

Das Casa Loma, das Haus auf dem Hügel, ist einzigartig. Burgen und Schlösser erwartet man eher in unserer Gegend, nicht aber in Nordamerika. Einst war die Casa Loma mit ihren 98 Zimmern sowie dem zwei Hektar großen Garten die größte private Residenz dieser Art. Wenn Geschäftsmänner träumen – der Erbauer, Sir Henry Pellatt hat diesen Traum, ein mittelalterliches Schloss sein Eigen zu nennen. Das Casa Loma wurde im Jahre 1914 nach europäischen Vorbildern fertiggestellt.

Lange war er das höchste Bauwerk der Welt. Der Tower hat insofern einen für Toronto prägenden Charakter, als dass er früher im Niemandsland eines Güterbahnhofes gebaut wurde und sich dann die Innenstadt um ihn herum aufbaute. Wenn man auf den Tower hinauffährt, dann hat man dasselbe Dilemma, wie in so manch anderer Stadt: ist man auf der Hauptattraktion, bekommt man sie nicht mehr vor die Linse. Stattdessen bietet sich ein großartiger Blick über die Stadt auf der einen – und über den See auf der anderen Seite. Beeindruckend immer wieder, wenn die Stadt unter einem aussieht, wie ein Miniaturwunderland.